Weil ich gefragt wurde, wie wir die Corona-Pandemie in Kerala erleben, will ich heute ein wenig ausführlicher berichten.
Gleich vorab die aktuelle Lage: Während in ganz Indien seit Beginn der Krise 332.424 bestätige Corona-Fälle gezählt werden, sind es in Kerala nur 2407, darunter 1046 Genesene und nur 19 Todesfälle.
Auf Statista sieht man den Vergleich der Fallzahlen aller Regionen. Kerala ist demnach bis heute gut weggekommen.
Eingeschleppt wurde das Virus von Studenten, die von Auslandsaufenthalten in Wuhan zurück kehrten. Es waren die ersten Fälle in Indien, was nicht wundert, da Kerala vergleichsweise wohlhabend ist und entsprechend viel gereist wird. Auch der hier besonders gut etablierte Tourismus spielte eine Rolle in der anfänglichen Verbreitung von Covid-19 in Kerala.
Frühzeitiger Lockdown: Wir bleiben zuhause
Erst am 24.März hatte Premierminister Modi eine strenge Ausgangssperre für ganz Indien verhängt. Kerala hat jedoch schon seit Anfang März, als es erst 50 Fälle gab, Maßnahmen zum „Social Distancing“ eingeführt: Schulen, Universitäten und andere Bildungseinrichtungen wurden geschlossen, die Bewegungsfreiheit regional deutlich eingeschränkt, Zug- und Fernbus-Verbindungen eingestellt.
Auch bei uns in Thiruvanathapuram (Trivandrum) wurde der „Lockdown“ konsequent durchgesetzt:
- Der ganze öffentliche Verkehr war von den Straßen verbannt.
- Die Ausgangsperre wurde streng gehandhabt. Nur mit Sondergenehmigung (z.B. ein dringender Arztbesuch) wurde man durchgelassen.
- Es darf nur eine Person je Familie zum Einkaufen von Lebensmitteln.
- Die Polizei kontrollierte das Einhalten der Beschränkungen sehr genau.
Von unseren fünf Angestellten durften wir nur eine weiter beschäftigen. Die Polizei kam immer wieder mal vorbei um zu sehen, ob wir die Vorschrift einhalten. Da wir ab Mitte März sowieso keine Gäste mehr hatten, war und ist das keine schlimme Einschränkung, sondern eher eine Erleichterung. Meine jährliche Reise nach Deutschland musste allerdings ausfallen, da jeglicher Flugverkehr eingestellt wurde. Es geht uns hier aber gut, wir haben alles, was wir brauchen!
Flatten the Curve – Kerala hat’s geschafft!
In der effektiven Bekämpfung der Krise war und ist Kerala erfolgreicher als die anderen Regionen und hat die wenigsten Sterbefälle aller betroffenen Gebiete. Der STANDARD berichtete am 22.Mai über die Gründe:
„Vor allem in den vergangenen Jahren wurde der öffentliche Gesundheitssektor nach einigen Jahren der Privatisierung wieder gestärkt. Ausschlaggebend für den Erfolg gegen Corona in Kerala ist aber vor allem der Fakt, dass der Bundesstaat erst vor zwei Jahren ein ähnliches Szenario lösen musste. 2018 bekämpfte die gleiche Regierung, die jetzt an den Hebeln sitzt, erfolgreich Nipah: ein von Fledermäusen auf den Menschen übertragenes Virus… An vorderster Front stand schon vor zwei Jahren Gesundheitsministerin K. K. Shailaja. Nun wird sie medial als „Corona-Slayer“ [Corona-Töterin“] gefeiert. Bereits eine Woche bevor „Patient Zero“ bestätigt war, hatte sie ein Rapid-Response-Team eingerichtet. Während Mitte Januar gerade einmal der Lockdown in Wuhan begonnen hatte, machte sich in Kerala ein Stab an Bürokraten und medizinischem Personal an die Arbeit: Über 600 lokale Covid-19-Zentren wurden aufgebaut, Beamte folgten der Devise: Übertragungsketten nachspüren. Eine funktionierende Kommunikation bis an die Basis hielt das Personal auf gleichem Stand. Medizinisches Personal wurde breit geschult, auf seinen Schutz ein Fokus gelegt. Risikogruppen mussten in Quarantäne.“
Schon im April erschien auch ein geradezu euphorischer Artikel in der angesehenen MIT Technology Review: What the world can learn from Kerala about how to fight covid-19, der den Verlauf der Corona-Pandemie in Kerala und die ergriffenen Maßnahmen im Detail schildert. Der „eiserne Lockdown“ brachte die Infektionszahlen recht schnell unter Kontrolle. Zwar gibt es immer wieder Infizierte (z.B. zurück geholte Wanderarbeiter aus arabischen Ländern), doch bleiben die Zahlen vergleichsweise niedrig, so dass dieser Tage erste Lockerungen verfügt wurden. Insgesamt bin ich optimistisch, was den weiteren Verlauf der Corona-Krise in Kerala angeht. In Indien gibt es in diesen Zeiten keinen besseren Ort zum Leben. Für mich persönlich ist es ungewohnt, so wenig zu tun zu haben. Zwar lerne ich die Muße durchaus zu schätzen, doch freue ich mich auch schon auf die Zeit, wenn es wieder möglich sein wird, Kurgäste zu empfangen!
Anweisungen
Kontrollen werden überall durchgeführt
